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Zu den Voraussetzungen einer drohenden Patentverletzung im Sinne des Art. 62 (1) EPGÜ

Lokalkammer Düsseldorf, Urt. v. 06.09.2024, UPC_CFI_165/2024, UPC_CFI_166/2024 – Novartis / Genentech

In einem Verfahren betreffend den Erlass einstweiliger Maßnahmen hatte sich die Lokalkammer Düsseldorf mit der Frage zu befassen, wann eine Patentverletzung im Sinne des Art. 62 (1) EPGÜ „droht“.

Sachverhalt

Die Antragsstellerin ist Inhaberin des Streitpatents, das eine pharmazeutische Formel betreffend Antikörper-Biosimilars zum Gegenstand hat. Die Antragsgegnerinnen gehören einem Konzern an. Die Antragsgegnerin im parallelen Verfahren UPC_CFI_166/2024 ist die Muttergesellschaft der Antragsgegnerinnen zu 1) bis 7) im Verfahren UPC_CFI_165/2024. Die Muttergesellschaft hält 100% der Anteile an der Antragsgegnerin zu 1), die für das Marketing und den Vertrieb in Europa zuständig ist. Die Antragsgegnerin zu 1) ist hundertprozentige Anteilseignerin an den Antragsgegnerinnen zu 2) bis 7). Die Muttergesellschaft hat ein Biosimilar Produkt entwickelt, das den Antikörper Omalizumab enthält (nachfolgend „angegriffene Ausführungsform“), dessen klinische Studie der Phase III auf einem Vergleich mit dem Produkt der Antragsstellerin basierte, das die patentierte Formel enthält. Zwischen Juli und Oktober 2023 erhoben die Antragsgegnerinnen in mehreren Ländern Nichtigkeitsklage gegen das Streitpatent. Im November 2023 erklärte ein Vertreter der Beklagten in einem koreanischen Nachrichtenportal für das Gesundheitswesen, dass es das Ziel der Antragsgegnerinnen sei, das erste Unternehmen zu sein, dass dieses Antikörper- Biosimilar in wichtige Länder liefert. Kurz darauf übersendete die Antragstellerin eine Berechtigungsanfrage an die Antragsgegnerinnen. Die Antragsgegnerinnen erwiderten, ihr Produkt mache von der Lehre des Streitpatents keinen Gebrauch. Im Übrigen sei das Streitpatent nicht rechtsbeständig. Am 25.03.2024 veröffentliche die Muttergesellschaft eine Pressemitteilung, in der sie ihre Intention äußerte, das Produkt sobald wie möglich auf den europäischen Markt zu bringen, wenn die Europäische Marktzulassung erteilt werde. Im selben Monat nahmen die Antragsgegnerinnen an einer Fachmesse in Belgien teil, wo sie an ihrem Stand Informationen über die angegriffene Ausführungsform anboten. Am 10.04.2024 versendete die Antragsgegnerin zu 2) eine E-Mail an einen potenziellen Kunden, in der sie ihn über das positive Signal für eine baldige Erteilung einer Marktzulassung informierte und gleichzeitig anbot, ihn über relevante Neuigkeiten auf dem Laufenden zu halten.

Die Marktzulassung für die angegriffene Ausführungsform wurde am 16.05.2024 von der Europäischen Arzneimittelagentur erteilt. Die Antragsgegnerinnen haben sodann am 24.04.2024 eine weitere Pressemitteilung über die Marktzulassung veröffentlicht und angekündigt, ihren Marktanteil rasch auszubauen. Daraufhin beantragte die Antragstellerin den Erlass einstweiliger Maßnahmen.

Entscheidung der Lokalkammer

Die Lokalkammer weist den Antrag auf Erlass einstweiliger Maßnahmen zurück und begründet dies mit dem Fehlen einer drohenden Patentverletzung im Sinne des Art. 62 (1) EPGÜ.

Für die Beurteilung, ob eine Patentverletzung unmittelbar bevorsteht, müssen die Gesamtumstände des konkreten Falls betrachtet werden. Es müssen bestimmte Umstände vorliegen, die darauf hindeuten, dass der potenzielle Verletzer bereits die vollständigen Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass die Patentverletzung stattfinden kann. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt die Antragstellerin.

Entscheidend ist daher nach Ansicht der Lokalkammer, ob das Verhalten der Antragsgegnerinnen zu dem Schluss führt, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit beabsichtigen, während der Patentlaufzeit ohne weitere Umstände in den Markt einzutreten. Dies ist dann der Fall, wenn die Antragsgegnerinnen ein konkretes Angebot auf dem Markt gemacht haben. Dies verneint die Lokalkammer. Erforderlich wäre gewesen, dass die Antragsgegnerinnen das Präparat mit allen Zulassungen und festen Preisen bewerben, sodass Kunden eine Bestellung aufgeben können. Die potenziellen Kunden sind allerdings mit den Regularien in der Pharma-Branche vertraut und wissen, dass nur eine vage Äußerung zum Markteintritt vorliegt, wenn die Preisbildung noch nicht abgeschlossen wurde.

Somit waren aus Sicht der Lokalkammer noch nicht alle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass das Produkt unmittelbar auf dem europäischen Markt angeboten wird. Die Ankündigung, nachdem die Marktzulassung erfolgte, reicht hingegen noch nicht aus, da es noch keinen spezifischen Zeitrahmen für die Preisverhandlungen gab oder eine Situation vorlag, in der beispielsweise Proben an potenzielle Kunden geschickt wurden.

Fazit:

Die Entscheidung der Lokalkammer erging im Zusammenhang mit Pharmazeutika, die weitere regulatorische Voraussetzungen erfüllen müssen, um auf den Markt zu gelangen. Die Frage, wann sich die tatsächlichen Anzeichen für einen Markteintritt eines Wettbewerbers so konkretisiert haben, dass der Schutzrechtsinhaber dagegen aufgrund der sog. Erstbegehungsgefahr vorgehen kann, ist allerdings von grundlegender Bedeutung.

Da der hiesige Sachverhalt besonders zu behandeln war, bleibt abzuwarten, inwieweit auch in anderen Sachverhaltskonstellationen ein vergleichbar strenger Maßstab anzusetzen ist. In jedem Fall sollte der Sachverhalt ausführlich dahingehend geprüft werden, ob bereits alle Voraussetzungen erfüllt bzw. Schritte eingeleitet wurden, damit das Produkt unmittelbar auf dem Markt angeboten wird.

Dr. Melissa Lutz