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Landgericht München: Konkretisierung der Anforderungen an die wechselseitige Lizenzwilligkeit von Patentinhaber und Patentbenutzer
Mit Urteil vom 17.02.2023 hat das Landgericht München I in einem Rechtsstreit zwischen GE Video Compression LLC und TCL Deutschland GmbH & Co.KG seine FRAND-Rechtsprechung konkretisiert (Az. 21 O 4140/21).
In dem Rechtsstreit vor dem Landgericht München I machte die GE Video Compression LLC Ansprüche aus einem HEVC-SEP geltend. Das Landgericht München konkretisierte in diesem Urteil seine Anforderungen an die wechselseitige Lizenzwilligkeit von Patentinhaber und Patentbenutzer bei den FRAND-Verhandlungen und wies den FRAND-Einwand von TCL mangels Lizenzwilligkeit zurück.
Das Landgericht München I legte seiner Entscheidung die Grundsätze der BGH-Entscheidungen FRAND-Einwand I und FRAND-Einwand II zugrunde. Der Patentbenutzer müsse fortdauernd den Abschluss eines FRAND-Lizenzvertrages verlangen und bereit sein am Zustandekommen dieses Vertrages mitzuwirken. Ohne diese Bereitschaft laufe der FRAND-Einwand des Patentbenutzers ins Leere. Auch der Patentinhaber müsse in den Verhandlungen lizenzwillig sein. Dabei bedingen sich das Verhalten von Patentbenutzer und Patentinhaber wechselseitig. Maßstab der Prüfung sei dasjenige, was eine vernünftige Partei, die an dem erfolgreichen und dem beiderseits interessengerechten Abschluss der Verhandlungen interessiert sei, zur Förderung dieses Ziels in einem bestimmten Verhandlungsstadium jeweils tun würde. Die Verhandlungsschritte der Parteien bauten dabei aufeinander auf. Fehle es an der Lizenzwilligkeit des Patentbenutzers, könne offengelassen werden, ob das Angebot des Patentinhabers (inhaltlich) FRAND-Bedingungen entspricht. Der Lizenzsucher müsse nur dann nicht auf ein Angebot des Patentinhabers reagieren, wenn es so FRAND-widrig ist, dass es bei objektiver Wertung schlechterdings untragbar sei.
Auf dieser Basis lehnte das Landgericht den FRAND-Einwand der Beklagten ab.
Das Landgericht prüfte dabei zunächst, ob das Angebot der Klägerseite so FRAND-widrig sei, dass es schlechterdings untragbar sei und verneinte dies. Dabei prüfte das Landgericht die Lizenzwilligkeit des Patentinhabers. Diese bestehe in der Regel nicht, wenn der Patentinhaber auf diskriminierenden oder willkürlichen Bedingungen bestehe und selbst am Ende der Verhandlungen nicht bereit sei, von diesen Bedingungen abzurücken. Soweit ein Patent-Pool für ein SEP ein Lizenzangebot abgebe, müsse sich der Patentinhaber dieses Angebot zurechnen lassen. Die Umstände dafür, dass das Angebot schlechterdings FRAND-widrig sei, müsse der Patentbenutzer darlegen und beweisen. Er müsse jedenfalls plausible Anhaltspunkte dafür vortragen, dass und warum ein Angebot diskriminierend sei. Im Einzelfall könne der Patentinhaber wegen seiner sekundären Darlegungslast gehalten sein, ergänzend zu den Angeboten vorzutragen.
Auf dieser Basis erkannte das Landgericht keine konkreten Anhaltspunkte für eine fehlende Lizenzwilligkeit der Klägerin.
In seinem Urteil begründete das Landgericht unter anderem, dass die Klägerin nicht zu Vergleichslizenzverträgen vortragen müsse, wenn der Patentbenutzer die Diskriminierung auf Basis der „effektiven Lizenzbelastung“ begründet habe. Entscheidend dafür, dass keine Diskriminierung vorliege, sei zudem, dass eine Diskriminierung jedenfalls dann entfalle, wenn die Beklagten einen Lizenzvertrag zu den Bedingungen abschließen, die die Klägerin auch der Konkurrenz eingeräumt habe. Auf diesen Vorschlag seien die Beklagten aber nicht hinreichend eingegangen. Dazu wäre ein williger Lizenznehmer aber verpflichtet gewesen.
Das Landgericht zeigte zudem auf, dass sich aus den Vergleichslizenzverträgen auch deswegen keine Diskriminierung ergeben könne, weil diese „pre-litigation“ abgeschlossen worden seien. Solche Verträge seien von Lizenzverträgen zu unterscheiden, die erst nach Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zustande kommen.
Das Landgericht erkannte allerdings die Lizenzunwilligkeit der Beklagten. Es begründete, dass sich die fehlende Lizenzwilligkeit insbesondere aus dem zögerlichen Verhandeln ergebe. Es differenzierte dabei zwischen dem Verhalten vor Klageerhebung und dem Verhalten nach Klageerhebung.
In der Zeit bis zur Klageerhebung seien die Beklagten lizenzunwillig gewesen, da sie nicht hinreichend auf Kontaktaufnahmen des Pools reagiert hätten.
Auch nach Klageerhebung hätten sie die Lizenzverhandlungen nicht im erforderlichen Maß gefördert und die Versäumnisse der zuvor vergangenen fünf Jahre nicht ausgeglichen. Dies widerspräche der erklärten Lizenzbereitschaft.
Das Gesamtverhalten der Beklagten zeige ihr fehlendes Interesse daran, mit dem Pool und der Klägerin zügig zum Abschluss des Lizenzvertrags zu gelangen. Insbesondere hätten die Beklagten Beanstandungen an den Angeboten der Klägerin und Gründe gegen die Erfüllung von FRAND-Bedingungen nicht rechtzeitig dargelegt. Die Beklagten verfolgten das Ziel, ihre eigenen (finanziellen) Lizenzbedingungen gegen die Klägerin durchzusetzen und wendeten eine Verzögerungstaktik an. Das ergebe sich durch das stetige Anfordern weiterer Informationen, ohne dass die hierauf erteilten Auskünfte konstruktiv genutzt würden. Auch nach Klageerhebung zeige das Verhalten der Beklagten nicht, dass es ihnen um einen zügigen und angemessenen Abschluss des Lizenzvertrages gegangen sei, sondern dass die Lizenzunwilligkeit fortbestanden habe. Die Beklagten hätten an den Lizenzverhandlungen zu spät und zu wenig mitgewirkt, um die vorherigen Verzögerungen und Versäumnisse zu kompensieren. Die Gegenangebote der Beklagten zeigten, dass es ihnen nicht auf den Abschluss eines Vertrages zu FRAND-Bedingungen angekommen sei. Sie hätten Konditionen verlangt, die strukturell und juristisch für den Pool unmöglich seien, da der Pool anderenfalls gegen seine Satzung verstoße. Die Gegenangebote zielten auf einen Inhalt ab, der vom Pool nicht akzeptiert werden könne und den die Beklagten nicht beanspruchen können. Ein vernünftiger Lizenzsucher hätte nicht so lange und nachdrücklich versucht diese Konditionen durchzusetzen. Die Beklagten hätten dem Pool zudem Informationen über ihre Verkaufszahlen mitteilen müssen. Zudem zeige die verzögerte Reaktion der Beklagten – u.a. beim Gegenangebot – dass sie nicht lizenzwillig gewesen seien.
Zudem habe die Klägerin den Beklagten ein bilaterales Angebot als Alternative zur Poollösung unterbreitet. Darauf hätten die Beklagten nicht reagiert.
Das Landgericht München begründete in seiner Entscheidung zudem, dass der Einwand, die Klägerin beziehungsweise der Pool hätte gegen ihre Förderungspflicht verstoßen, nicht durchgreife. Es genüge, dass die Klägerin beziehungsweise der Pool in einem Datenraum Lizenzverträge zur Verfügung gestellt und diese laufend aktualisiert und ergänzt habe. Diese Verträge gäben den Beklagten einen ersten Eindruck von der Lizenzsituation. Ein williger Lizenznehmer würde auf dieser Basis erste Interessen und Eckpunkte eines Lizenzvertrages formulieren und möglicherweise weitere Informationen über die Bedingungen seiner wichtigsten Konkurrenten anfordern. Jedenfalls würde ein williger Lizenznehmer nicht die Vorlage sämtlicher Patente und sämtlicher Lizenzverträge fordern, ohne sich damit inhaltlich auseinanderzusetzen.
Das Landgericht begründete zudem, dass der Umgang der Beklagten mit den vorgenommenen Schwärzungen die Lizenzunwilligkeit belege. Die Schwärzungen seien einerseits nicht unangemessen gewesen, da die gestellten Passagen schon nach dem Vortrag der Beklagten, keine für die Bemessung der Lizenzgebühr relevanten Informationen enthielten. Zudem hätten die Beklagten zu lange gewartet, bevor sie einen Vorlageantrag gestellt hätten.
Auch belege das stetige Anfordern weiterer Informationen die fehlende Lizenzwilligkeit. Die Beklagten hätten sich mit den zur Verfügung gestellten Informationen auseinandersetzen und die Informationen hätten sich in neuen Verhandlungspositionen widerspiegeln müssen. Dem seien die Beklagten nicht nachgekommen. Daraus ergebe sich, dass das Aufklärungsinteresse der Beklagten nur vorgeschoben gewesen sei.
Auch weitere Einwände der Beklagten änderten daran nichts, da diese Einwände zu spät vorgebracht worden seien.
Schließlich entschied das Landgericht München, dass die Vorlageanträge der Beklagten unbegründet seien. Da die Beklagten Lizenzunwillig seien, sei es nicht erforderlich, dass die Klägerin weitere Informationen offenbare und entsprechende Dokumente vorlege. Die Vorlage sei nicht entscheidungserheblich. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagten infolge der Vorlage ihr verzögerndes Verhalten aufgeben würden. Es bestehe zudem kein kartellrechtlicher Vorlageanspruch. Die Beklagten hätten grundsätzlich nur einen Anspruch auf Vorlage solcher Verträge, die den gleichen Markt beträfen. Sie hätten nicht dargelegt, welche Verträge sie über die bereits vorgelegten Verträge hinaus benötigen.