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Berufungsgericht des EPG, Entscheidung vom 12.11.2024, UPC_COA_489/2023 und 500/2023 – AIM Sport Development / Supponor et al.

Berufungsgericht des EPG, Entscheidung vom 12.11.2024, UPC_COA_489/2023 und 500/2023 – AIM Sport Development / Supponor et al.

I. Sachverhalt

Für das Klagepatent wurde am 12. Mai 2023 (während der „Sunrise Period“) ein Opt-out erklärt. Das Opt-out wurde am 01. Juni 2023 in das EPG-Register eingetragen. Am 05. Juli 2023 stellte die Klägerin einen Antrag auf Rücktritt vom Opt-Out. Am selben Tag reichte die Klägerin eine Verletzungsklage betreffend die Verletzung des Klagepatents und einen Antrag auf Erlass von einstweiligen Maßnahmen gegen die Beklagten ein. Die Lokalkammer Helsinki wies die Verletzungsklage und den Antrag auf Erlass von einstweiligen Maßnahmen mit der Begründung zurück, das EPG sei aufgrund seines Opt-out vom 12. Mai 2023 nicht zuständig. Der Rücktritt sei unwirksam, da zum Zeitpunkt des Opt-out und des Rücktritts vom Opt-out noch Klagen vor den deutschen nationalen Gerichten anhängig gewesen, die im Jahre 2020 erhoben worden seien.

II. Entscheidung des Berufungsgerichts

Das Berufungsgericht hebt die Entscheidung des Gerichts erster Instanz auf.

Der Satz „Sofern nicht bereits eine Klage bei einem nationalen Gericht erhoben wurde“ in Art. 83 Abs. 4 EPGÜ sei in Anbetracht des Wortlauts, der Struktur, des Sinns und Zwecks des Art. 83 EPGÜ in seiner Gesamtheit so zu verstehen, dass er sich auf eine Klage beziehe, die während der Übergangsregelung vor einem nationalen Gericht erhoben werde. Frühere nationale Klagen (vor Inkrafttreten der Übergangsregelung) fallen nicht unter die Einschränkungen des Rücktritts vom Opt-out.

Das Berufungsgericht hat die in Art. 31 Abs. 1 der Wiener Vertragsrechtskonvention festgelegten Auslegungsregeln bei der Auslegung des Art. 83 EPGÜ herangezogen und festgestellt, dass der Begriff „Klage“ in Art. 83 Abs. 4 EPGÜ nicht isoliert, sondern im Gesamtkontext des Art. 83 EPGÜ verstanden werden müsse. Das Gericht sieht keinen Grund, den Begriff „Klage“ in Abs. 4 anders auszulegen als den Begriff „Klage“ in Abs. 1, 2 und 3, d.h. als eine Klage, die während der Übergangszeit erhoben worden sei.

Weiterhin hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass diese Auslegung auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck des Art. 83 EPGÜ stehe.

Die Möglichkeit, vom Opt-out gemäß Art. 83 Abs. 4 EPGÜ zurückzutreten, diene dazu, einem Patentinhaber zu ermöglichen, die Folgen eines früheren Opt-out rückgängig zu machen und das neue EPG-System mit seinen Vorteilen zu nutzen, sobald er sich mit der Funktionsweise des EPG vertraut gemacht habe. Die Einschränkungen der Opt-out Möglichkeit und des Rücktritts nach Art. 83 Abs. 3 bzw. 4 EPGÜ sollen einen Missbrauch dieses Systems durch einen unzulässigen Wechsel der Zuständigkeiten verhindern. Im Einklang mit diesem Zweck sei unter „bereits eine Klage vor einem nationalen Gericht erhoben worden“ eine Klage zu verstehen, die nach Inkrafttreten der Übergangsregelung bei einem nationalen Gericht erhoben worden sei. Davor sei ein Missbrauch gar nicht möglich.

Das Berufungsgericht hat gleichzeitig klargestellt, dass eine andere Auslegung dem Sinn und Zweck des Opt-out- und Rücknahmesystems widersprechen und zu einer Ungleichbehandlung der Inhaber von Patenten führen würde, die in der Vergangenheit Gegenstand eines nationalen Rechtsstreits gewesen seien. Denn würde sich ein Patentinhaber, dessen Patent jemals Gegenstand eines Rechtsstreits vor einem nationalen Gericht gewesen sei, für ein Opt-out entscheiden, wäre ein Rücktritt nicht möglich, was ihn der Möglichkeit berauben würde, das EPG-System und seine Vorteile jemals zu nutzen.

Außerdem hat das Berufungsgericht festgestellt, dass sich der Begriff „Klage“ in Art. 83 EPGÜ nicht nur auf Verletzungs- und Nichtigkeitsklagen, sondern auf alle in Art. 32 EPGÜ genannten Klagen beziehe, für die das EPG zuständig ist.

III. Ausblick

Diese Entscheidung trägt dazu bei, dass das EPG eine höhere Attraktivität für Patentinhaber erlangt, indem es ihnen erlaubt, unter bestimmten Bedingungen in das EPG-System zurückzukehren, selbst wenn deren Patente von früheren nationalen Verfahren betroffen waren und die sich gegen das neue System entschieden haben.

Anda Soponar