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Aufforderung der EU-Kommission zur Stellungnahme – Neuer Rahmen für standardessenzielle Patente
Die EU-Kommission hat am 14.02.2022 eine Aufforderung zu einer Stellungnahme zu einer Folgenabschätzung veröffentlicht. Mit der öffentlichen Konsultation möchte die Kommission Meinungen von Interessenvertreter:innen zu verschiedenen SEP-bezogenen Fragen einholen.
Die Kommission hatte bereits in ihrem „Aktionsplan für geistiges Eigentum“ aus dem Jahr 2020 angekündigt, Vorschläge zur Förderung von Transparenz und Vorhersehbarkeit bei der SEP-Lizenzierung durch eine mögliche Reform des SEP-Lizenzsystems zu erarbeiten. Eine entsprechende Reform sollte sich hiernach insbesondere auf das erarbeitete Konzept aus der Mitteilung der Kommission über den Umgang der EU mit standardessenziellen Patenten aus dem Jahr 2017 stützen.
Nun holt die Kommission die Meinung der Öffentlichkeit und von Interessenvertreter:innen ein. Diese wird zusammen mit der Rechtsprechung des EuGH zum Umgang mit standardessenziellen Patenten sowie verschiedenen Studien in eine Folgenabschätzung einfließen. Auf dieser Grundlage will die Kommission eine Legislativinitiative, möglicherweise in Kombination mit nichtlegislativen Maßnahmen erstellen. Denn die Kommission möchte darauf hinwirken, das EU-Patentrecht neu auszurichten, um das Patentsystem zu stärken und den grünen und digitalen Wandel der EU zu fördern. Dabei blickt die Kommission auch auf die bevorstehende Einführung des einheitlichen Patentsystems. Das einheitliche Patentgericht wendet nach Art. 20 EPGÜ das Unionsrecht unmittelbar an und wahrt dessen Vorrang. Entsprechend wird es etwaige europäische Rechtsvorschriften beachten, wohingegen Bestrebungen auf nationaler Ebene keine unmittelbare Geltung für Einheitspatente entfalten.
Vor diesem Hintergrund möchte die Kommission einem von ihr identifizierten Hauptproblem entgegenwirken: die ineffiziente Lizenzierung von SEP, einschließlich „Hold-up“, „Hold-out“ und „Forum Shopping“. Wie die Kommission in ihrer Aufforderung formuliert, sieht sie die Ursachen für dieses Problem in der unzureichenden Transparenz und Vorhersehbarkeit, der Unsicherheit in Bezug auf FRAND-Bedingungen und in den hohen Durchsetzungskosten sowie der ineffizienten Durchsetzung.
Konkrete Maßnahmen formuliert die Kommission nicht. Aus der Aufforderung und dem entsprechenden Fragebogen zur Konsultation kann man aber auf gewisse Schwerpunkte schließen. Jedenfalls scheint die Kommission eine Verordnung initiieren zu wollen. Auch sieht sie einen klaren Handlungsbedarf auf EU-Ebene. Dies vor allem mit Blick auf Lizenzierung und Durchsetzung. Denn Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten könnten zu unterschiedlichen Auslegungen führen. Deshalb möchte sie auf EU-Ebene einen bestmöglichen Interessenausgleich erzielen, insbesondere mit Blick auf das Einheitspatent.
Als konkrete politische Optionen identifiziert die Kommission im Wesentlichen drei Punkte:
1. Verbesserung der Transparenz
Diesbezüglich sieht sie die Möglichkeit, eine Verpflichtung zur Offenlegung und Aktualisierung bestimmter Informationen zu schaffen. Bereits 2017 hatte die Kommission die Standardisierungsorganisationen dazu aufgerufen, dafür zu sorgen, dass die Datenbanken detaillierte, aktuelle und der Öffentlichkeit leicht zugängliche Informationen zu SEP bereitstellen. Der Aktionsplan greift diesen Punkt ebenfalls auf und zieht hierzu auch die Verwendung neuer Technologie, wie der Blockchain-Technologie, in Betracht.
Daneben möchte die Kommission die Standardessenzialität in Zukunft durch unabhängige Dritte beurteilen lassen.
2. Erste Klärung verschiedener FRAND-Aspekte
Weiter zieht die Kommission die Entwicklung von „Leitlinien und/oder Verfahren für die Präzisierung des FRAND-Konzepts“, „die Aushandlung von FRAND-Bedingungen“ und „die Bestimmung der geeigneten Lizenzierungsebene in einer Wertschöpfungskette“ in Betracht. Hier dürfte ein entsprechender Reformvorschlag besonders interessant sein. Der EuGH konnte sich zu der vom Landgericht Düsseldorf vorgelegten Frage, ob ein Unternehmen SEP-Inhaber:innen den Missbrauchseinwand entgegenhalten kann, weil diese Unternehmen in der Lieferkette nicht lizensieren, nicht äußern. Diese Frage der Lizensierungsebene ist somit bis heute offen.
3. Verbesserung der Wirksamkeit und Effizienz der Durchsetzung
Schließlich plant die Kommission weitere Anreize für Mediation, Schlichtungs- und Schiedsverfahren zu schaffen. In ihrer Mitteilung aus 2017 bezieht die Kommission sich hierzu auf das geplante Schieds- und Schlichtungszentrum des Einheitlichen Patentgerichts. Wie allerdings solche Anreize aussehen sollen, gibt die Kommission nicht zu erkennen. Ebenso ist nicht unmittelbar ersichtlich, wie dieser Aspekt mit dem Ziel einer verbesserten Transparenz übereinkommt.
Jedenfalls aber bleibt es spannend rund um das Thema SEP. Nach dem Zeitplan der EU-Kommission dürfen wir hier schon im 4. Quartal dieses Jahres den nächsten Schritt erwarten. Aufgrund der Folgenabschätzung wird die Kommission eine Initiative erarbeiten. Dabei wird sie voraussichtlich (auch) neues EU-Recht vorschlagen.
Es sollten sich entsprechend alle Interessenvertreter:innen an der Konsultation beteiligen. Nur so kann die Kommission alle Standpunkte erkennen und beachten. So wird die Kommission einen Weg suchen, Patentinhaber:innen eine angemessene Entlohnung zu gewährleisten und gleichzeitig die Wirtschaft und Gesellschaft von den technischen Errungenschaften unserer Zeit profitieren zu lassen.
Der Rückmelde- und Konsultationszeitraum endet am 09.05.2022.
Dr. Katharina Brandt