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Vorläufiger Geheimnisschutz in Eilverfahren vor dem EPG

Lokalkammer Düsseldorf, Verfahrensanordnung v. 23.02.2024 – UPC_CFI_463/2023 – 10x Genomics/Curio Bioscience

In seiner Verfahrensanordnung vom 23.02.2024 hat sich die Lokalkammer Düsseldorf mit der Frage auseinandergesetzt, wie vorläufiger Geheimnisschutz in Eilsachen zu gewährleisten ist.

I. Sachverhalt

Am 04.12.2023 stellte die Antragstellerin bei der Lokalkammer Düsseldorf einen Antrag auf Anordnung einstweiliger Maßnahmen.

Vor Ablauf der Einspruchsfrist (R. 209.1 (a) VerfO) und vor Einreichung der Einspruchsschrift beantragte die Antragsgegnerin die Anordnung von Maßnahmen zum vorläufigen Schutz vertraulicher Informationen. Mit Verfahrensanordnung vom 14.02.2024 stellte die Lokalkammer ihre Entscheidung über die Anträge zurück, bis die Antragsgegnerin ihren Einspruchsschriftsatz eingereicht und einen Antrag auf den Schutz vertraulicher Informationen gestellt hat. In diesem Zusammenhang erläuterte sie auch das durch das Case Management System vorgesehene abgestufte Verfahren des Geheimnisschutzes, nachdem die Kammer zunächst Anordnungen zum vorläufigen Schutz der (vermeintlich) geheimhaltungsbedürftigen Dokumente treffen kann.

Mit Einreichung der Einspruchsschrift nebst Anlagen beantragte am 15.02.2024 beantragte die Antragsgegnerin den Schutz der dort enthaltenen, vertraulichen Informationen. Mit einer Verfahrensanordnung vom 16.02.2024 räumte die Lokalkammer den bisher im Verfahren benannten Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin Zugang zur ungeschwärzten Fassung der vorgelegten Dokumente ein und verpflichtete diese unter Androhung von Zwangsgeldern – auch gegenüber der Antragstellerin – zur Geheimhaltung. Zugleich erhielten die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme, welche Personen bis zur endgültigen Entscheidung über den Geheimnisschutz Zugang zu den Informationen erhalten sollten.

Die Antragsgegnerin beantragte, dass der Zugang zu den Informationen auf vier namentlich bekannte Rechtsvertreter zu beschränken sei, die sich verpflichten, 5 Jahre lang an keinen Lizenzverhandlungen im Bereich der patentgemäßen Lehre teilzunehmen. Hilfsweise sollte zusätzlich ein Mitarbeiter der Antragstellerin aus der Rechtsabteilung, der ebenfalls an keinen geschäftlichen Entscheidungen beteiligt ist, Zugang erhalten, wobei auch dieser sich verpflichten solle, 5 Jahre lang an keinen Lizenzverhandlungen im Bereich der patentgemäßen Lehre teilzunehmen.

Die Antragstellerin beantragte demgegenüber Zugang zu den (vermeintlich) vertraulichen Informationen für die Rechtsanwälte der von der Antragstellerin mandatierten Kanzlei, sowie für zwei namentlich benannte, zuverlässige Personen bei der Antragstellerin. Hilfsweise beantragte sie Zugang für die mit dem Verfahren betrauten Rechtsanwälte der von der Antragstellerin mandatierten Kanzlei, zwei Rechtsanwaltsfachangestellte sowie die zwei benannten, zuverlässigen Personen bei der Antragstellerin.

II. Anordnung der Lokalkammer Düsseldorf

In der vorläufigen Geheimhaltungsanordnung beschränkt die Lokalkammer Düsseldorf den Zugang zu den geschwärzten Informationen bis zu einer abschließenden Entscheidung über den Geheimnisschutzantrag auf Seiten der Antragstellerin auf die mit dem Verfahren betrauten Rechtsanwälte der von der Antragstellerin mandatierten Kanzlei, zwei Rechtsanwaltsfachangestellte und eine der benannten, zuverlässigen Personen bei der Antragstellerin. Die Personen sind zur Geheimhaltung auch gegenüber der Antragstellerin verpflichtet. Die Informationen dürfen außerhalb des Verfahrens nicht offengelegt werden. Die Antragstellerin hat sicherzustellen, dass nur die zuverlässige Person Zugang zu den Informationen hat.

Ausgehend von Art. 9 Abs. 1 und 2 lit. a) RiLi (EU) 2016/943, Art. 58 EPGÜ und R.262 VerfO stellt die Kammer fest, dass der Zugang zu (angeblichen) Geschäftsgeheimnissen auf eine begrenzte Anzahl von Personen beschränkt werden kann. Bis zu endgültigen Geheimnisschutzanordnung kann der Zugang noch weiter eingegrenzt werden, um einen effektiven Geheimnisschutz zu gewährleisten. Der Geheimnisschutzantrag kann auch mit den geschwärzten Versionen der betroffenen Dokumente mit der Partei erörtert werden.

Im vorliegenden Fall darf allerdings nicht die Besonderheiten des Eilverfahrens außer Acht gelassen werden. Stellungnahmefristen sind kurz bemessen. Fristverlängerungen sind in der Regel ausgeschlossen, der Termin zur mündlichen Verhandlung steht häufig kurzfristig an. All dies muss bei der Bestimmung des Personenkreises, der Zugang zu den Informationen erhalten soll, berücksichtigt werden, um ein faires Verfahren zu gewährleisten. Die von der vorläufigen Geheimnisschutzanordnung betroffene Partei muss entsprechend unter Berücksichtigung des Geheimhaltungsinteresses der Gegenseite vollumfänglich arbeitsfähig und in der Lage sein, in der Sache zu jedem durch die Gegenseite aufgeworfenen Punkt Stellung zu nehmen. Im Einklang mit seiner Anordnung vom 14.Februar 2024 gelangt die Lokalkammer so zu dem vorläufigen Ergebnis, dass im Eilverfahren in der Regel vier rechtsanwaltlichen Vertretern (zwei Partner und zwei Associates zu deren Unterstützung), zwei patentanwaltlichen Vertreter sowie drei Vertretern der Mandantin Zugang einzuräumen ist, wobei dieser Personenkreis bei Bedarf um zwei Rechtsanwaltsfachangestellte erweitert werden kann. Dies unterliegt jedoch wiederum einer Einzelfallprüfung, da der Personenkreis gemäß R. 262.6 S. 1 VerfO den für die Einhaltung des Rechts der Verfahrensbeteiligten auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren notwendigen Umfang nicht überschreiten darf.

Auf den vorliegenden Fall angewandt stellt die Lokallkammer fest:

1). Den Patentanwälten der Antragstellerin ist kein Zugang zu gewähren, da die geschwärzten Informationen rein kommerzieller und nichttechnischer Natur sind.

2). Soweit die Antragstellerin Zugang für drei Partner und einen Associate der mandatierten Kanzlei beantragt, hat die Lokalkammer keine Bedenken. Eine Beschränkung des Zugangs auf solche Rechtsvertreter, die nicht an anhängigen und dasselbe Rechtsgebiet betreffenden Verfahren vor dem EPG beteiligt sind, würde die Antragstellerin unangemessen in der Wahl ihrer Rechtsvertreter einschränken. Zudem würden die Rechtsvertreter erheblich in ihrer Berufsausübung behindert, ohne dass dies durch überwiegende Interessen auf Antragsgegnerseite gerechtfertigt wäre. Hinreichender Schutz ist durch die Geheimhaltungsanordnung unter Androhung von Zwangsmitteln gewährleistet.

3). Im Übrigen ist der Zugang auf den im Hilfsantrag der Antragstellerin benannten Mitarbeiter bei der Antragstellerin zu beschränken, die nach Auskunft der Antragstellerin ihre patentrechtlichen Streitigkeiten maßgeblich koordiniert und die zentrale interne Person in der täglichen Bearbeitung der Prozessführung der Antragstellerin ist. Sowohl Art. 9 RiLi (EU) 2016/943 als auch R262a.6 VerfO sehen vor, dass mindestens einer natürlichen Person der Partei Zugang zu gewähren ist. Dass dieser Mitarbeiter möglicherweise an kommerziellen Entscheidungen der Antragstellerin beteiligt ist, ohne dass dies näher dargetan ist, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Die Geheimhaltungsanordnung unter Androhung von Zwangsgeldern bietet auch insoweit ausreichend Schutz. Entsprechend muss die Antragstellerin auch nicht nachweisen, dass sie Verfahren zum Schutz der geschwärzten Informationen implementiert hat. Die Anordnung einer Verpflichtung, fünf Jahre lang an keinen Lizenzverhandlungen im Bereich der patentgemäßen Lehre teilzunehmen, würde unverhältnismäßig in dessen Recht auf Berufsausübung eingreifen.

Kristin Jochheim & Charlotte George