Aktuelle News.
Aluminiumdielen – OLG Karlsruhe Beschluss 18.07.2023 – 6 W 30/23
In seinem Beschluss vom 18.07.2023 hat das OLG Karlsruhe sich sowohl mit der Vollstreckung nach § 888 ZPO als auch mit der Frage beschäftigt, ob ein schutzrechtsverletzender Gegenstand noch innerhalb der Vertriebswege ist, wenn dieser sich bei einem Gewerbetreibenden befindet, der kein Händler ist.
Der Sachverhalt
Beim vorliegenden Fall handelte es sich um eine Beschwerde gegen ein Urteil des LG Mannheim (Beschluss vom 19. Mai 2023, Az. 2 O 86/21 ZV II). In diesem entschied das LG Mannheim, dass die Schuldnerinnen die in Frage stehenden „Outdoor-Aluminiumdielen“ „zurückzurufen oder endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen“ haben. Die Schuldnerinnen wehren sich dagegen mit dem Argument, dass sich keine Produkte mehr in den Vertriebswegen befänden und daher ein Rückruf unmöglich sei. Dies begründen Sie damit, dass alle in den Verkehr gebrachten Erzeugnisse bereits verbaut wurden und damit in das Eigentum der Endabnehmer übergegangen seien.
Der Beschluss
In dem Beschluss stellt das LG Karlsruhe neben der Zulässigkeit des Antrages zunächst fest, dass eine Verurteilung zu Rückruf oder Entfernen nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist. Dies begründet die Kammer damit, dass der Wortlaut des Urteils „oder“ den Schuldnerinnen die Möglichkeit lässt, zwischen den beiden Optionen zu wählen. Da zumindest der Rückruf eine nicht vertretbare Handlung im Sinne des § 888 ZPO ist, ist eine Vollstreckung – unabhängig von der Vertretbarkeit der weiteren Option – nach § 888 ZPO zu vollziehen. Ob die wahlweise angeordnete Entfernung aus dem Vertriebswegen auch eine nicht vertretbare Handlung darstellt oder aus § 887ZPO als nicht vertretbare Handlung zu vollziehen ist, ist laut der Kammer irrelevant.
In Bezug auf die materiellrechtlichen Fragen der Entscheidung ist vorliegend § 140a Abs. 3 S. 1 PatG zu beachten. Gem. § 140a Abs. 3 S. 1 PatG können Verletzte, deren Erfindungen entgegen den §§ 9 bis 13 PatG benutzt werden, von den Verletzenden den Rückruf der Erzeugnisse oder das endgültige Entfernen aus den Vertriebswegen verlangen.
Bezüglich der Frage, wann ein verletzter Gegenstand sich noch in den Vertriebswegen befindet, stellt das OLG Karlsruhe in der vorliegenden Entscheidung auf den Begriff des privaten Endverbrauchers ab. Die Kammer stellt klar, dass ein verletzender Gegenstand auch dann noch „in den Vertriebswegen“ ist, wenn es sich bei dem Abnehmer um einen Gewerbetreibenden handelt, der kein Händler ist. Diese Entscheidung begründet das OLG Karlsruhe damit, dass es denkbar sei, dass eine Sache später im Rahmen einer gewerblichen Handlung veräußert wird und dadurch eine patentverletzende Handlung ausgeübt wird. Im vorliegenden Fall argumentiert die Kammer, dass die Immobilie, in welche der „Outdoor-Aluminiumboden“ verbaut wurde, im weiteren Verlauf von dem Gewerbetreibenden als gewerbliche Handlung veräußert werden könnte. Durch diese Umstände kommt das Gericht zu dem Schluss, dass eine Weiterveräußerung der Dielen nicht hinreichend ausgeschlossen ist. Auch der Einwand der Schuldnerinnen, dass die Produkte bereits bei den Abnehmern verbaut sind, rechtfertigte aus Sicht des Gerichts keine andere Entscheidung. Dies begründete das Gericht damit, dass der Rückruf gem. § 140a Abs. 3 S. 1 PatG lediglich eine dem Schuldner obliegende Aufforderung an den Abnehmer ist, die gelieferten Erzeugnisse zurückzugeben, es hat keine Auswirkungen für den Schuldner, ob die Abnehmer der Aufforderung tatsächlich Folge leisten oder nicht. Der Schuldner ist seiner Rechtspflicht nachgekommen, wenn er die Aufforderung ausgesprochen hat. Dem Rückruf steht nicht entgegen, dass ein Ausbau mit einem einzelnen Vertrieb der Dielen sehr unwahrscheinlich ist.
In seiner früheren Rechtsprechung hatte das LG Mannheim genau dies anders gesehen. Es stellte in der Entscheidung vom 10.12.2013, Az. 2 O 180/12 fest, dass die Endabnehmer/Endnutzer nicht zum Vertriebsweg gehören. Dabei sollte es gleich sein, ob diese den Gegenstand gewerblich nutzen oder nicht. Gegenstände, die sich bei privaten oder gewerblichen Abnehmern befinden, sind nicht mehr innerhalb der Vertriebswege, wenn die Abnehmer als „Endabnehmer“ einzustufen sind.
Das OLG Karlsruhe hat seine Entscheidung unter anderem auf frühere Entscheidungen des OLG Düsseldorfs gestützt. Die Entscheidungen des OLG Düsseldorfs kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Gegenstände grundsätzlich noch in dem Vertriebsweg sind, wenn sie sich bei einem gewerblichen Abnehmer befinden. Auch hier stellt das Gericht fest, dass es keinen Unterschied macht, ob der gewerbliche Abnehmer als Endabnehmer einzustufen ist oder nicht.
Im Urteil vom 15.07.2021 – 15 U 42/20 begründete das OLG Düsseldorf seine Entscheidung damit, dass ein gewerblicher Endverbraucher ein Patent grundsätzlich verletzt, wenn er das patentverletzende Erzeugnis gewerblich nutzt. In diesem Fall besitzt er das patentverletzende Erzeugnis zum Zwecke der Nutzung gem. § 9 S. 2 Nr. 1 PatG.
Auch in dem Urteil vom 13.08.2020 – 2 U 10/19 kam das OLG Düsseldorf zu dem Ergebnis, dass ein Produkt auch dann noch „in den Vertriebswegen“ ist, wenn es sich bei einem gewerblichen Endabnehmer befindet. In dem vorliegenden Fall stritten die Parteien sich um Zündkerzen in einem Gasmotor und auch hier argumentierte das Gericht, dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass der mit den Zündkerzen ausgerüstete Motor gebraucht verkauft wird und die patentverletzenden Zündkerzen damit einhergehend auch gewerblich genutzt werden. Zudem stellt das OLG Düsseldorf fest, dass ein Produkt nur dann nicht „in den Vertriebswegen“ ist, wenn ausgeschlossen werden kann, dass es zu einem späteren Zeitpunkt weitervertrieben wird.
Die genannten Argumente des OLG Düsseldorf nimmt das OLG Karlsruhe auf und wendet diese auf den eigenen Fall an.
Mit dem vorliegenden Urteil schließt sich das OLG Karlsruhe somit der bereits vorliegenden Rechtsprechung des OLG Düsseldorfs an.