Aktuelle News.
Die Antwort der deutschen Politik auf die Entscheidung des EuGH zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland
Am 20. September 2022 wurde Deutschland von dem Europäischen Gerichtshof verurteilt (EuGH, Urt. v. 20.09.2022, Rs. C-793/19, C-793/19, C-794/19). Gegenstand der Entscheidung waren die Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung.
Das Verfahren, auf das sich die Entscheidung des EuGH vom 20. September 2022 bezieht, hat nur eine kurze Prozessgeschichte: Das Verwaltungsgericht Köln hatte in erster Instanz entschieden, dass die Diensteanbieter SpaceNet und Telekom Deutschland nicht verpflichtet seien, die Daten bezüglich der Telekommunikation ihrer Kunden auf Vorrat zu speichern. Hiergegen hat die Bundesnetzagentur Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt. Dieses hat das Verfahren ausgesetzt und die entscheidende Frage, ob die im deutschen Recht geregelte Vorratsdatenspeicherung mit dem Unionsrecht vereinbar ist, dem EuGH selbst vorgelegt. Die Entscheidung des EuGH erging zu Lasten von Deutschland – was nicht überrascht, denn:
Bereits im Jahr 2016 entschied EuGH zum Thema Vorratsdatenspeicherung und legte fest, dass eine unbegrenzte Speicherung von Standort- und Telefondaten gegen die Charta der europäischen Grundrechte verstößt. Der EuGH bleibt in der Entscheidung gegen Deutschland dieser Linie treu und erklärt das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung für unionswidrig. Die Vorschriften, die präventiv, also vorrätig zur Datenspeicherung verpflichten, die irgendwann zur Bekämpfung von Kriminalität oder zur Vermeidung von Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit notwendig sein könnten, seien nicht mit dem Unionsrecht vereinbar, so der EuGH. Auch eine unterschiedslose Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten im Voraus hält der EuGH für nicht unionsrechtskonform.
Das Bundesministerium der Justiz hat, um seinen Fehler zu beheben, bereits einen Referentenentwurf erstellt. Mit diesem werden die Regelungen in § 100g Absatz 2 StPO sowie in §§ 175 bis 181 TKG schlicht aufgehoben. Der § 100g Absatz 2 StPO regelte die Erhebung von Verkehrsdaten. Die §§ 175 bis 181 TKG regelten unter anderem die Pflichten zur Speicherung von Verkehrsdaten, die Verwendung dieser Daten und die Gewährleistung der Sicherheit der Daten.
Die neue Erfindung des Justizministeriums, also der Ersatz für die gestrichenen Normen: das „Ermittlungsinstrument einer Sicherungsanordnung“. Die Sicherung der Daten soll mit diesem Instrument bei erheblichen Straftaten angeordnet werden können, wenn die Erhebung der Daten dazu verhelfen kann, den Sachverhalt oder den Aufenthaltsort eines Beschuldigten zu ermitteln.
Die Daten sollen also nicht bei jedermann, sondern nur bei einem Beschuldigten angeordnet werden können – das ist der erste Schutzmechanismus der neuen Normen. Ein Beschuldigter liegt im strafprozessrechtlichen Sinne nämlich erst dann vor, wenn ein Tatverdacht gegen eine Person gegeben ist und die Ermittlungsbehörden ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen diese einleiten. Auch ein doppelter Richtervorbehalt soll, als weiteres Schutzinstrument, normiert werden. Zunächst soll der Richter das „Einfrieren“ der Daten anordnen. Das bedeutet, dass die Daten, die aus geschäftlichen Gründen von den Anbietern bereits erhoben wurden sowie die ab dem Zeitpunkt der richterlichen Anordnung anfallenden Daten, nicht mehr gelöscht werden dürfen. Eine weitere richterliche Entscheidung soll diese „gefrorenen“ Daten wiederum „auftauen“ können: denn erst nach der zweiten richterlichen Entscheidung können die Strafverfolgungsbehörden für eine bestimmte Zeit die Daten erheben und auswerten. Außerdem soll das nur bei erheblichen Straftaten angeordnet werden können.
Solche Regelungen stünden im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, so das Ministerium im Referentenentwurf. Auch die Vorschriften des TKG, aber auch der TKÜG, BPolG, BSI-Gesetz, BKAG, ZFdG, EGStPO, JVEG sollen entsprechend der Entscheidung des EuGH geändert werden. Der EuGH hat in seiner Entscheidung nämlich klare Kriterien aufgestellt, die erfüllt sein müssen, damit die Datenspeicherung rechtmäßig ist. Dem sollen die Vorschriften angepasst werden.
Bei einem Blick auf all die zu ändernden Gesetze wird deutlich: das Ministerium hat einiges vor. Einigkeit über die vielen Änderungen besteht derzeit jedoch nicht – welche Regelungen und wann sie in Kraft treten, bleibt also abzuwarten.